Die Politik von Italiens Populisten gefährdet den Euro. Aussagen wie die von EU-Kommissar Oettinger befeuern die Anti-Europa-Stimmung noch. Das ist fatal.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. So banal das Sprichwort auch klingen mag, ein wahrer Kern steckt trotzdem darin. In der politischen Praxis führt das niemand besser vor als Deutschlands Vertreter in der EU-Kommission.
Der für sein loses Mundwerk bekannte Günther Oettinger hat wieder einmal zugeschlagen. Er empfahl den Italienern, bei der möglichen Neuwahl doch bitte „nicht die Populisten von links oder rechts in die Regierungsverantwortung zu bringen“.
Damit lieferte Oettinger der rechtspopulistischen Lega Nord und der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung eine Steilvorlage. Der Lega-Nord-Chef kann nun erst recht nach Herzenslust hetzen gegen die bösen Mächte in Brüssel, Berlin und Paris, die angeblich Italien gängeln und bevormunden wollen.
Und die EU muss nun erst recht befürchten, dass die EU-feindliche Lega Nord aus der nächsten Wahl als Sieger hervorgeht. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk, die beiden höchsten Repräsentanten der Europäischen Union, distanzierten sich von Oettingers „unklugen“ Äußerungen. Wie kann einem erfahrenen Politiker, der seit neun Jahren der Brüsseler Kommission angehört, nur so ein unerhörter Fehler passieren?
Der deutsche Kommissar ist in den vergangenen Jahren immer wieder mit verbalen Ausfällen aufgefallen. Die Franzosen brachte er mit harscher Kritik an ihrer Wirtschafts- und ihrer Energiepolitik gegen sich auf.
Rumänien und Bulgarien hat er einmal als „unregierbar“ bezeichnet, was in den beiden EU-Staaten auf dem Balkan logischerweise auch nicht gerade gut ankam. Als Oettinger im November 2016 Chinesen („Schlitzaugen“), Schwule („Pflicht-Homeehe“) und den belgischen Landesteil Wallonien („Mikroregion“) beleidigte, wurde es EU-Kommissionschef Juncker zu viel. Er zwang Oettinger dazu, sich in aller Form zu entschuldigen. Oettingers damals eigentlich anstehende Beförderung zum Vizepräsidenten der Kommission fiel aus.
Danach wurde es endlich ruhig um den deutschen Kommissar – bis zu dem fatalen Oettinger-Interview am vergangenen Dienstag. Für EU-Kommissare sind Wahlempfehlungen an die Bürger eines Mitgliedsstaates absolut tabu – aus gutem Grund. Die Kommissare müssen sich selbst keiner Wahl stellen und sollten es daher tunlichst vermeiden, sich in Wahlen in den Mitgliedsstaaten einzumischen.
Die demokratische Legitimation der EU wird ohnehin immer wieder in Zweifel gezogen, was mit den komplizierten, für die meisten Bürgern nicht nachvollziehbaren Strukturen der europäischen Staatengemeinschaft zu tun hat. Die Brüsseler EU-Repräsentanten sind daher gut beraten, sich jeglichen Kommentars zu Wahlen in Mitgliedstaaten zu enthalten. Sonst machen sie sich selbst zur Zielscheibe. Hättest Du doch geschwiegen, Oettinger!
Nun ist Schaden angerichtet und mit einer Entschuldigung allein nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Juncker musste sich beeilen, der italienischen Demokratie Respekt zu zollen. Trotzdem wird die Lega Nord nun bis zur Wahl, die voraussichtlich im Herbst stattfindet, keine Gelegenheit auslassen, um gegen Brüssel, den Euro und die EU zu Felde zu ziehen.
Wenn die Lega gewinnt, steht der Euro-Zone eine italienische Finanzkrise ins Haus, die existenzgefährdend werden könnte für die Einheitswährung. Die Hauptschuld daran tragen verantwortungslose reformunwillige italienische Politiker. Doch Oettinger hat Öl ins Feuer gegossen.